In ihrer Einleitung zum Vortrag von Dr. Henning Scherf, dem ehemaligen Bürgermeister und Präsidenten des Senats der Freien Hansestadt Bremen zeigte CDU Kreisvorsitzende Christel Bartelmei die nackten Zahlen auf:
„Ca. dreiviertel aller Haushalte in Deutschland sind 1 – 2 Personenhaushalte. Auch in Friesland ist das nicht anders. In mehr als 35 % der Haushalte lebt in unserem Landkreis nur eine Person und das bei steigendem Altersdurchschnitt."
Die klassische Großfamilie gibt es nicht mehr, die Kinder verlassen für Ausbildung und Studium ihren Heimatort und kehren oft nicht zurück.
Einsamkeit im Alter – Muss das sein oder gibt es Alternativen?
Auch Henning Scherf stand 1987 vor dieser Situation. Die 3 Kinder waren aus dem Haus, das viel zu groß wurde und er und seine Frau Luise beschlossen, gemeinsam mit Freunden ein altes Haus in der Bremer Innenstadt zu kaufen, zu sanieren und für eine Mehrgenerationen-WG umzubauen. Bereut hat er diesen Schritt nie.
Alle Entscheidungen werden einstimmig getroffen: „Dadurch lernt man aufeinander zuzugehen.“ Auch in seinem politischen Wirken habe ihm diese Sichtweise geholfen.
Die erste Bewährungsprobe erlebte die Wohngemeinschaft, als eine Bewohnerin im Alter von 50 Jahren schwer erkrankte und wünschte, zu Hause zu sterben. „Zwei Jahre lang haben wir sie im Wechsel bis zu ihrem Tod betreut. Sie war nie alleine.“ Dies sei eine schwere aber auch sehr intensive Zeit gewesen.
Generell profitierten alle vom gelebten Miteinander. Jeder habe seine eigene Wohnung, man lade sich aber im Wechsel zum gemeinsamen Essen ein. Auch die Männer hätten inzwischen kochen gelernt, verrät er mit einem Augenzwinkern.
Aktuell lebt eine Flüchtlingsfrau aus Nigeria mit ihren 3 Kindern in der WG, die ältesten Kinder besuchten inzwischen das Gymnasium mit guten Ergebnissen. Ein junges Paar habe gerade geheiratet. „Wir kriegen im Juli ein Baby!“
Man spare auch einiges: So habe die Gruppe mit 7 Autos begonnen, jetzt habe man nur noch eins.
Aus dem Kreis der Gäste kamen viele Fragen: Welche Immobilien sind geeignet, wie viele Mitstreiter sind sinnvoll, wer sollte eingebunden werden, wie laufen die Entscheidungen in der Gruppe?
Henning Scherf empfindet die Größe von 10 – 12 Personen als ideal, bei großen Einheiten brauche man einen Geschäftsführer. Er empfahl nach ehemaligen Gasthöfen oder Bäckereien Ausschau zu halten, das Haus benötige eine gewisse Größe. Er berichtete von Projekten, bei denen Senioren ein verlassenes Dorf wiederbelebt oder einen ehemaligen Gutshof im Osten saniert haben. Wichtig sei es, die Kommunalverwaltung vor Ort, einen guten Architekten und Pflegeberatung oder ambulante Pflegeeinrichtungen einzubinden, um bei der Realisierung unnötige Fehler und bürokratische Hürden zu vermeiden. Inzwischen gäbe es viele Projekte und gute Beratungsmöglichkeiten. Am wichtigsten sei aber das Einvernehmen aller Teilnehmer: „Einer bestimmt und alle laufen hinterher, das funktioniert nicht.“
Er hat auch Verständnis für ältere Menschen, die lieber in ihren eigenen 4 Wänden bleiben möchten. Aber auch dann könne man sich mit anderen für das gemeinsame Mittagessen oder Unternehmungen zusammentun.
Henning Scherf begreift Altern als Chance und strahlt das auch aus. „Wir müssen weg von den traditionellen Altersbildern!“
Mehr als 200 Termine nimmt er pro Jahr wahr für sein Herzensthema und weitere Ehrenämter.
Der Ertrag des Abends wird von der CDU Friesland auf seinen Wunsch vollständig einem weiteren Engagement von Dr. Henning Scherf zur Verfügung gestellt, dem humanitären Kunstprojekt „Pan y Arte – Brot und Kunst für Nicaragua“, das Straßenkindern in Nicaragua erfolgreich und nachhaltig ermöglicht, an Bildung zu partizipieren (www.panyarte.de).
Die rund hundert Gäste erlebten einen sehr herzlichen und nahbaren Referenten, der sich auch in Zeiten des Corona-Virus nicht davon abhalten ließ, jeden Einzelnen per Handschlag zu begrüßen. Christel Bartelmei bedankte sich für einen besonderen Abend: „Wir nehmen heute viel Positives und viele Impulse mit!“